Giftraupe auf Siegeszug - die Bürokratie duckt sich weg

Um den Eichenprozessionsspinner flächendeckend zu bekämpfen ist es längst zu spät. Während Bürokraten aus Bundes-, Landes- und kommunalen Behörden diskutieren, hat die kleine Giftraupe längst die Herrschaft im Wald übernommen.

Andreas Graf von Bernstorff und sein Sohn Fried sind inzwischen so entnervt von dem monatelangen Behörden-Hin und Her, dass sie ernsthaft eine Klage erwägen. Denn mittlerweile befürchten die Waldbesitzer hohe wirtschaftliche Schäden, sollte die kleine Giftraupe noch ein weiteres Jahr an den Bäumen nagen.

"Ein harter Winter, Trockenzeiten im Frühjahr und Vorschädigungen durch andere Schädlinge lassen uns befürchten, dass viele Bäume völlig absterben, sollten sie noch einmal eine Raupenplage auszuhalten haben," so der von Bernstorffsche Förster Ulrich von Mirbach beim Krisentreffen am vergangenen Donnerstag.

Die gräflichen Waldbesitzer hatten Vertreter verschiedener Behörden sowie des Naturschutzes nach Holtorf eingeladen, wo inzwischen hunderte Eichen von den hungrigen Plagegeistern völlig kahl gefressen sind. An dem beliebten Radwanderweg sieht es mittlerweile aus wie im Spätherbst: die Kronen sind völlig entlaubt, von den Blättern sind nicht mehr als dürre Blattgerippe übrig geblieben. Und da die Eichenprozessionsspinner sich so sehr vermehrt hatten, reichten ihnen die Eichen nicht mehr aus - inzwischen haben sie angefangen, benachbarte Buchen oder gar Rosensträucher anzunagen.

Viele der Raupen haben sich inzwischen verpuppt und werden demnächst als Schmetterlinge die Landschaft mit Schönheit beleben. Aber vorher haben sie noch ihre feinen Nesselhärchen abgeworfen, die nun für 2 - 5 Jahre am Boden lauern und beim Menschen üble Hautausschläge oder gar allergisches Asthma verursachen können.

Im Gespinst der Zuständigkeiten

Von Bernstorffs, mit 6400 ha Fläche die mit Abstand größten privaten Waldbesitzer in der Region, wollen nicht hinnehmen, dass sie womöglich im nächsten Jahr mit noch größeren Fraßschäden durch die kleinen Giftraupen konfrontiert werden. Und natürlich macht ihnen auch zu schaffen, dass Menschen, die die beliebten Rad-, Reit- und Wanderwege in ihren Wäldern benutzen, sich gesundheitliche Schaden einhandeln können. Deswegen luden sie jetzt schon zu dem Treffen ein, um frühzeitig mit den zuständigen Sachbearbeitern eine Lösung des Problems zu diskutieren - in der Hoffnung, dass sich diese auch rechtzeitig zum nächsten Raupenausbruch finden lässt.

Doch die Zuständigkeitslage ist kompliziert: Neben dem Bundesamt für Verbraucherschutz mit seinen acht Unterreferaten ist sowohl das Umweltbundesamt sowie das Bundesamt für Risikobewertung an der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln beteiligt. Und selbst wenn der Forstwirt von diesen Bundesbehörden die Genehmigung bekäme, so sind zusätzlich noch weitere zuständige Landesbehörden (z. B. Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer) sowie in bestimmten Fällen der Landkreis und/oder Gemeinden zu befragen.

In Sachen Eichenprozessionsspinner-Bekämpfung hat sich bis jetzt keine der Behörden den Hut aufgesetzt, um für eine Lösung des Problems zu sorgen. Aus dem Bundesamt kommt lapidar die Information, dass das als einzig effektive Bekämpfungsmittel geltende DIPEL ES nur mit für Forstwirte sinnlosen Auflagen eingesetzt werden darf, da es selbst sensibilisierend wirke. Als Menschen schützendes Mittel (Biozid) darf DIPEL ES gar nicht eingesetzt werden, da es hierfür keine Zulassung hat.

„Es kann nicht angehen, dass keines der zuständigen Ämter Verantwortung für eine Lösung übernimmt,“ so Andreas Graf von Bernstorff. Deshalb luden er und sein Sohn Fried, der seit 1. Juli den Forstbetrieb übernommen hat, Vertreter der diversen Behörden zu einem Krisentreffen in den Holtorfer Wald. Die Katastrophe in Augenschein nahmen neben Dr. Stefan Lamprecht, Sachgebietsleiter des Pflanzenschutzamtes in der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, auch Vertreter des Landkreises, der Samtgemeinde Gartow, der Niedersächsischen Landesforsten sowie des Bundes für Naturschutz Deutschlands (BUND).

Widerstand kommt auch vom Naturschutz

Vor allem die Naturschützern lehnen eine flächige Bekämpfung ab. Nach ihrer Ansicht wirkt DIPEL ES auch schädlich auf andere Insekten. „Besser wäre es, den Wald an seinen Rändern mit einem Strauchmantel zu umgeben, damit die Raupen gar nicht erst in den Wald eindringen können,“ so Köhler. Gartows Förster Ulrich von Mirbach hält dieses Vorgehen nicht für erfolgversprechend, da sich die Raupen auch im Waldesinneren bereits weit ausgebreitet haben.

Für Dr. Lamprecht, war nach dem Ortstermin klar, dass „hier Gefahr im Verzug ist“. „Wir müssen den Spagat, Menschen und Pflanzen gleichermaßen zu schützen, ins Gleichgewicht bringen,“ so Lamprecht. Er versprach, sich für eine Klärung der komplizierten Zuständigkeitssituation einzusetzen und empfahl den Grafen von Bernstorff außerdem Gespräche im Landwirtschafts-Ministerium zu führen.

Franz-Josef Guckeisen, Leiter des Fachdienstes Natur- und Landschaftsschutz in der Kreisverwaltung, hofft noch auf einen Zusammenbruch der Population, so wie es bei früheren Raupenplagen nach mehreren Jahren immer wieder geschah. Ob dies geschieht, analysieren die Forstwirte regelmäßig. „Sollte dies allerdings nicht der Fall sein, so droht ein flächiger Baumverlust,“ fürchtet auch Dr. Uwe Barge, Forstamtsleiter Göhrde der Niedersächsischen Landesforsten.

Um diesen zu verhindern – und Menschen vor erneuten körperlichen Schäden zu bewahren – waren sich alle Beteiligten einig, dass schnell eine Lösung gefunden werden muss.


Foto: Angelika Blank ... Vertreter der Landwirtschaftskammer, der Landesforsten, der Biosphärenreservatsverwaltung, des Landkreises, der Samtgemeinde Gartow sowie des BUND begutachteten vergangene Woche auf Einladung der Grafen von Bernstorff (li. und 3. von links) die Baumschäden an der Holtorfer Stege.




2012-07-05 ; von Angelika Blank (autor),
in Holtorf, 29493 Schnackenburg, Deutschland

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